>
Oliver Reiser

www.Chemie-im-Alltag.de

Gefährliches Doping der Akademiker

von Oliver Reiser

Jeder Fünfte der im naturwissenschaftlichen und medizinischen Bereich tätigen Akademiker nimmt Amphetamine oder verwandte Substanzen zur Konzentrations- und Leistungssteigerung. © Chemie-im-Alltag 2008.

Epo, Steroide, Carphedon: Substanzen, die für unerlaubtes Doping im Sport stehen. Mit harten Strafen und strengen Kontrollen versucht man den Mißbrauch solcher zur Leistungssteigerung eingenommenen Präparate einzudämmen. Dass auch "Kopfsportler" in Besorgnis erregenden Umfang leistungssteigernde Mittel zu sich nehmen, machte jetzt eine Studie des renommierten Journal Nature deutlich: Eine anonym gehaltenen Umfrage, an der der Leserschaft von Nature entsprechend Mediziner und Naturwissenschaftler teilnahmen - also Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und fortgeschrittene Studenten aus dem akademischen Bereich sowie in der Industrie tätige Wissenschaftler - kam zu dem Ergebnis, dass etwa jeder Fünfte verschreibungspflichtige Medikamente zweckentfremdet einnimmt. Der Wunsch der Erhöhung von Konzentration, Stimulation/Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit sind dabei die häufigsten Beweggründe, doch gerade bei Studenten sind auch Substanzen zur Bekämpfung von Prüfungsangst verbreitet. Besonders beliebt unter den Wissenschaftern ist das zu den Amphetaminen verwandte Ritalin, dessen Wirkung im Folgenden erklärt wird.

Dopamin - ein Molekül, dass für Aufmerksamkeit sorgt

Dopamin ist ein Neurotransmitter, das in unserem Gehirn eine Vielzahl von Funktionen ausübt. Es steuert Gefühle, Schlaf und - weshalb es zur Steigerung unserer Leistung wichtig ist - Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und das Lernvermögen. Da Dopamin aber nicht die Blut-Hirn Schranke - die Barriere, die dafür sorgt, dass die meisten Stoffe, die sich in unserem Körper befinden, nicht ins Gehirn gelangen können - überwinden kann, macht es keinen Sinn, es direkt als Arzneistoff zu verwenden.

Der Auf- und Abbau von Dopamin im Gehirn

Dopamin wird direkt in den Nervenzellen aus der Aminosäure Tyrosin produziert. Abgebaut wird es, in dem es an ein Protein, dem so genannten Dopamintransporter bindet, der es aus den Synapsen herausschleust. Eine Strategie, die Konzentration an Dopamin zu erhöhen besteht nun darin, den Dopamintransporter durch Anbinden eines Wirkstoffs zu hemmen (kompetitive Inhibition), und dadurch den Abtransport von Dopamin zu verhindern.

Ritalin (Methylphenidat) - Wiederaufnahmehemmer für Dopamin

Ein solcher Hemmstoff für den Dopamintransporter - man spricht von einem Dopamin Wiederaufnahmehemmer - ist Methylphenidat. Bekannt wurde es als Ritalin®, benannt nach der Ehefrau des Erfinders Leonardo Panizzon, Ciba (heute Novartis), die 1944 im Selbstversuch von der leistungssteigernden Wirkung der Substanz auf ihr Tennisspiel begeistert war. Ritalin® trat seinen Siegeszug als Konzentration steigerndes Mittel an, dessen Anwendung vor allem für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen oder Hyperaktvität (ADHS) empfohlen wurde. Und in der Tat ist für viele von ADHS betroffene Kinder die Einnahme von Rialin ein wahrer Segen, das ihnen ein normales Leben ermöglicht.

Ritalin und ADHS

Der genaue Mechanismus für die Wirkung von Ritalin bei ADHS ist nicht klar. So wurde spekuliert, dass diese Störung entweder durch zu viele Dopamintransporter (Dopamin wird zu schnell abtransportiert) oder durch zu wenige Dopaminrezeptoren (Wirkort vom Dopamin) im Gehirn ausgelöst wird, in beiden Fällen würde eine erhöhte Konzentration von Dopamin eine verbesserte Steuerung des Gehirns ermöglichen.

Doch ist es außerordentlich schwierig, insbesondere bei Kindern, zu diagnostizieren, ob Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsmangel tatsächlich durch eine Störung des Dopaminhaushalts im Gehirn ausgelöst wird. Schwierige familiäre Umstände oder auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder nicht richtig abgestimmter Schulunterricht sind nur zwei häufig vorkommende Umstände, die ebenfalls die oben genannten Symptome erklären können. Der schnelle Griff zur Pille wäre in solchen Fällen die völlig falsche Maßnahme.

Doping durch Erhöhung der Dopaminkonzentration im Gehirn

Aufgrund der oben beschriebenen Wirkungen wird Ritalin auch von gesunden Menschen, bei denen der Dopaminhaushalt im Gehirn nicht gestört ist, mit dem Ziel der Konzentrationssteigerung eingesetzt. Aufgrund der jahrzentelangen Erfahrungen, die Ritalin geringe Nebenwirkungen und vor allem kein Sucht- und Abhängigkeitsrisikio bescheinigen, scheint dessen Einnahme in der Tat eine akzeptable Maßnahme zur Konzentrationssteigerung zu sein.

Doch der Schein ist trügerisch: Menschen regieren sehr unterschiedlich auf die Dosierung von Ritalin, so dass eine genaue ärztliche Einstellung für die Einnahme dieses Medikaments notwendig ist. Insbesondere können auch durch plötzliches Absetzen von Ritalin Verhaltensveränderungen - Gereiztheit, Hyperaktivität oder Depressionen - ausgelöst werden. Schließlich ist auch bei der Einnahme von Ritalin über Jahre hinweg ein Gewöhnungseffekt nicht auszuschließen. Kommt es dann wirklich zu einer Störung im Dopaminhaushalt eines Menschen - etwa durch die Parkison'schen Krankheit - könnten die dann zur Behandlung notwendigen Medikamente zur Erhöhung von Dopamin im Gehirn weniger oder auch gar nicht mehr wirksam sein.

 

Artikel zum Thema:
Meilensteine der Chemie - Medikamente | Die antibiotische Revolution durch Penicillin | Aspirin - Medizin Deines Lebens | Cyclosporin - der Schlüssel für Organtransplantationen | Insulin - Lebensretter für Diabetiker