>
Oliver Reiser

www.Chemie-im-Alltag.de

 

Methanolvergiftung - wie groß ist die Gefahr für jeden Einzelnen?

von Oliver Reiser

Der Gerichtsprozess um die tragischen Todesfälle dreier Jugendlicher im April 2009 durch Vergiftung mit in alkoholischen Getränken enthaltenen Methanol hat begonnen. Wie gelangt Methanol in Spirituosen, was sind die Symptome einer Vergiftung und was kann man im Fall der Fälle tun? © Chemie-im-Alltag 2010.

Drei Jugendliche im Alter zwischen 17 und 21 Jahren starben im letzten Jahr im Urlaub in der Türkei an einer Methanolvergiftung, die Quelle hierfür war fraglos billiger, gepanschte Spirituosen. Wie Methanol überhaupt in alkoholische Getränke gelangt, und bei welchen alkoholischen Getränken die Gefahr einer Methanolvergiftung besonders groß, wird im Folgenden erklärt.

Methanol und Ethanol - zwei ungleiche chemische Verwandte

Methanol-EthanolMethanol und Ethanol - letzteres ist in alkoholischen Getränken enthalten und wird gemeinhin als Alkohol bezeichnet - gehören in die chemische Klasse der Alkohole. Sie sind sich in ihrer Struktur und in ihren chemischen Eigenschaften sehr ähnlich. Im Vergleich zu Methanol hat Ethanol hat lediglich eine um ein Atom längere Kohlenstoffkette. Beide Verbindungen sind selbst ungiftig für den Menschen, aber unser Körper versucht dennoch, diese Alkohole rasch wieder loszuwerden. Damit Stoffe mit den Urin ausgeschieden werden können, oxidiert sie unser Körper, und hier tritt ein wesentlicher Unterschied ein: Während Ethanol zu Acetaldehyd, das dann sehr rasch zur für uns harmlosen Essigsäure (= Essig!) oxidiert wird, entsteht bei der Oxidation von Methanol zunächst der hochgiftige Formaldehyd, der dann zur nicht minder giftigen, stark sauren Ameisensäure (10 mal stärker sauer als Essigsäure) oxidiert wird. Letztere wird nur sehr langsam im Körper abgebaut und reichert sich daher an, was eine gefährliche Übersäuerung unseres Blutes zur Folge hat. Formaldehyd verursacht schon in geringen Konzentrationen Kopfschmerzen, in größeren Mengen schädigt es den Sehnerv - Erblindung ist die Folge - und kann schließlich zum Tod führen.

Ethanol und Methanol - wie gelangen sie in Bier, Wein oder Schnaps?

AmyloseEthanol (Alkohol) entsteht durch Vergärung von Stärke bzw. von dessen Grundbaustein Glucose (= Zucker) mittels Hefe. Verwendet man reinen Zucker, entsteht dabei kein Methanol. Letzerer ensteht durch Vergärung von Pektin (Grundbaustein α-D-Galacturonsäure, einer der Stärke verwandten Substanz. Pektin kommt vor allem in den festen Bestandteilen der Pflanzen vor, etwa in Stängeln, Blüten und Blättern, ist aber auch in Früchten selbst zu finden. Alkoholische Getränke - Bier, Wein, Schnaps - sind nicht nur Ethanol/Wassergemische sondern enthalten hunderte weitere Verbindungen, unter anderem auch Methanol. Ein billiger Wein, der auch mit Stengeln und Blättern gekeltert wird, enthält mehr Methanol, als nur aus Weintrauben hergestellter Qualitätswein. Dennoch sind die Mengen an Methanol in Bier und Wein nicht ausreichend, um eine ernsthafte Gefahr darzustellen.

Hochprozentige Spirituosen - die Gefahr durch Methanol wächst!

PektinAus zwei Gründen ist bei hochprozentigen Spirituosen die Gefahr durch Methanol größer: Zum einen werden für die Gewinnung von Spirituosen wie Wodka Kartoffeln verwendet, die erhebliche Mengen an Pektin enthalten. Bei deren alkoholischen Vergärung können 10 bis 20% Methanol bezogen auf die Alkoholmenge enstehen. Zum anderen wird das zunächst bei der alkoholischen Gärung gewonnene Alkohol-Wassergemisch (enthält maximal 15% Akohol) durch Destillation auf einen Alkoholgehalt von bis zu 50% aufkonzentriert. Wird bei der Destillation Methanol (Siedepunkt Methanol 65 °C, Ethanol 78 °C) nicht abgetrennt, reicht dessen Konzentration nun aus, um bei Verzehr schnell un din großen Mengen in den Blutkreislauf aufgenommen zu werden, so dass es zu schweren Vergiftungen mit Todesfolge kommen kann. Die Abtrennung des niedriger siedenen Methanols mit der richtigen Destillationsausrüstung ist kein Problem, allerdings erhält man eine Mischfraktion aus Methanol und Ethanol, die man verwerfen muss, was natürlich den Ertrag an Branntwein mindert. Und wenn skrupellose Branntweinerzeuger diese Vorfraktion gar als trinkbare Spirituosen in den Handel bringen, ist eine Vergiftung durch Methanol vorprogrammiert.

Methanol - welche Mengen sind gefährlich?

Man findet unterschiedliche Mengenangaben für die Giftigkeit von Methanol für den Menschen. Ein guter Richtwert ist, dass 5-8 g für einen erwachsenen Menschen (50 bis 80 kg Körpergewicht) gesundheitsgefährdend sind, während die etwa 10 fache Menge zum Tod führen kann. Hält man sich vor Augen, dass in einer Flasche gepanschten Wodka (0.7 Liter, enthält etwa 300 g Alkohol), in der das Methanol durch Destillation nicht abgetrennet wurde, kann man bei Verzehr der gesamten Flasche in der Tat lebensbedrohlichen Mengen von 30-60 g Methanol erreichen. Viel gefährlicher ist es natürlich, wenn bei der Destillation die praktische aus reinem Methanol bestehende Vorfraktion abgetrennet und dann als illegale Spirituose in den Handel gelangt. Hier können bereits 6 cl, etwa drei normale Schnäpse, zur Gefahr werden. Länder wie die Türkei, die eine hohe Branntweinsteuer erheben, haben in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit illegal gebrannten Spirituosen gehabt.

CocktailKann man Methanol in Getränken erkennen?

Methanol hat einen unverwechselbaren, süßlichen Geruch, der sich ganz wesentlich von Ethanol unterscheidet. Dennoch ist es nicht einfach, Methanol am Geschmack zu erkennen, da aufgrund der vielen anderen in Spirituosen enthaltenden Aromen - vor allem in Cocktails - der typische Methanolgeruch überlagert wird. Wenn man den Geruch von Methanol kennt - so würde ich mir als Chemiker zutrauen, in klar gebrannten Spirituosen größere Konzentrationen an Methanol zu erkennen - ist eine Früherkennung möglich.

Die besonderen Tücken einer Methanolvergiftung

Eine Vergiftung durch Methanol ist aus mehreren Gründen besonders tückisch. Zum einen tritt die berauschende Wirkung von Methanol zwar ebenfalls wie bei Ethanol ein, allerdings ist die Wirkung bei Methanol viel schwächer. Die Folge kann sein, dass man größere Mengen der mit Methanol verschnittenen Spirituose verzehrt, da man zunächst keine Wirkung des alkoholischen Getränks verspürt. Zum anderen hat Methanol eine sehr viel geringere Affinität für die Alkoholdehydrogenase als Ethanol, das heisst die Oxidation von Methanol zu seinen giftigen Metaboliten Formaldehyd und Ameisensäure tritt oft erst Stunden später ein, Die dann zunächst auftretenden Symptome - Übelkeit, Kopfschmerzen - verwechselt man dann oft fälschlicherweise mit einem Kater nach durchzechter Nacht.

kompetitive EnzymhemmungMethanolvergiftung - gibt es Gegenmittel?

Da Methanol von der Alkoholdehydrogenase sehr viel langsamer oxidiert wird als Ethanol, ist das beste Gegenmittel bei einer Methanolvergiftung, den Patienten über mehrere Tage unter einer Alkoholkonzentration von 1 Promille zu halten. Ethanol wirkt als kompetitiver Inhibitor für Methanol, das heisst, Ethanol bindet bevorzugt an die Alkoholdehydrogenase (etwa 8000 mal besser), so dass die für den Körper gefährliche Oxidation von Methanol zu Formaldehyd und schließlich zur Ameisensäure verhindert wird. Methanol wird dann über mehere Tage als wasserlösliche Substanz unverändert mit dem Urin ausgeschieden


 

Artikel zum Thema:
Der Menthos-Cola-Mythos | Gefahr durch Kokain in RedBull® Cola | Mikrowelle – Gefahr für Babynahrung