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Oliver Reiser

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genius - kein Geniestreich! [Teil 2]

von Prof. Oliver Reiser

Der deutsche Hochschulverband ruft genius ins Leben, die Studienberatung der Professoren. Vielleicht hätte man die Professoren erst einmal fragen sollen.

 

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Professorale Studienberatung für Schüler - ein neues Angebot?

Solche Aktivitäten sind keinesfalls neu. Als ich vor 20 Jahren mit dem Studium der Chemie in Hamburg beginnen wollte und Probleme mit der Zulassung hatte, bin ich in der ersten Semesterwoche unangemeldet bei der Studienberatung aufgetaucht und konnte nicht nur mit dem zuständigen Berater, sondern auch anschließend mit zwei Professoren reden, die meine Schwierigkeiten in unbürokratischer Weise lösen und mir den Studienbeginn ermöglichen konnten. Dabei bestand damals an Studenten in Hamburg - im Semester zuvor hatten 180 Studenten mit dem Chemiestudium begonnen - kein Mangel.

Selbst wenn man nicht glauben will, dass ein aufrichtiges Interesse der Professoren an den zukünftigen Studenten besteht, so wird man wohl wenigstens deren eigenen Nutzen an einer guten Beratung nachvollziehen können: Denn ein Student, der mit seinem Fach nicht zufrieden ist, ist unmotiviert, wird aufgrund schlechter Leistungen Prüfungen wiederholen müssen (diese werden zum überwiegenden Teil von den Professoren mündlich und einzeln abgenommen), und wird in den meisten Fällen letztendlich sein Studium abbrechen. Hohe Abbruchquoten werden von der Hochschulleitung und von den Wissenschaftsministerium registriert und schlagen sich negativ auf Kapazitätsberechnungen und Mittelzuweisungen nieder.  

genius - die Studienberatung DER PROFESSOREN?

Für die große Zahl der Professoren, die sich seit vielen Jahren aktiv in der Studienberatung - für Studenten wie für Schüler - engagieren, ist es daher höchst verwunderlich, von einer neu- und einzigartigen Studienberatung für Schüler zu hören, die noch dazu vom eigenen Berufsverband angeboten wird. Die Beratungsorganisation genius als "Studienberatung der Professoren" zu bezeichnen, spottet ohnehin jeder Beschreibung, denn der deutsche Hochschulverband hat nicht einmal ansatzweise versucht, diese Aktion mit seinen Mitgliedern abzusprechen.

Verbesserungen in der Studienberatung sind sicherlich möglich. Der Hochschulverband hätte hier eine koordinierende Rolle spielen können, und etwa Schüleranfragen an einen Professor, nach Möglichkeit an einer nahe gelegenen Universität, weiter leiten können. Verbunden mit einer Aufforderung an die Mitglieder, Beratungswünschen von Schülern vielleicht noch stärker als bisher nachzukommen, hätte hier auf einfache Weise ein tragfähiges Konzept entstehen können.

 

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