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Oliver Reiser

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Doktorarbeit in der Chemie - lohnt sich das?

Oliver Reiser

Die Bekundung der chemischen Industrie, auch nicht promovierte Chemiker einzustellen, entfachte die Diskussion, ob und wer den Weg einer Doktorarbeit beschreiten soll. © Chemie-im-Alltag 2001.

Das Chemiestudium ist langwierig - das stimmte aber nur so lange, wie nach Abschluss des eigentlichen Studiums mit dem Diplom/Master die Anfertigung einer Doktorarbeit (= Promotion) generell Voraussetzung für einen Job war. Die Reform des Chemiestudiums in Deutschland und die Erklärungen der chemischen Industrie, auch nicht promovierte Chemiker einzustellen, wirft die Frage auf, ob die Doktorarbeit nach Abschluss des Studiums nach wie vor freiwillige Pflicht ist.

Mit neun bis zehn Semestern (je nach Bundesland) Regelstudienzeit zum Diplom / Master ist das Chemiestudium in seiner Länge identisch mit allen naturwissenschaftlichen Studiengängen, und liegt ein bis zwei Semester über der Regelstudienzeit von geisteswissenschaftlichen Studiengängen. Andererseits bewirkt die straffe Organisation des Chemiestudiums, dass die überwiegende Zahl der Studenten im Rahmen der Regelstudienzeit bleibt. So lag an der Universität Regensburg im Jahr 2004 der 50 Prozent-Wert, das heißt der durchschnittlichen Studiendauer, die 50 Prozent der Chemiestudenten bis zum Diplom benötigen, bei 10,3 Semestern.

Drei Jahre Doktorarbeit sind die Regel

Für die sich üblicherweise an das Diplom anschließende Doktorarbeit muss ein Chemiker noch einmal drei Jahre veranschlagen, womit man dann eine Gesamtstudienzeit von acht Jahren erreicht - in der Tat eine abschreckend lange Dauer, die dem Chemiestudium seit jeher den schlechten Ruf des Langzeitstudiums einhandelte. Unverständlicherweise wurde bei dieser Diskussion stets außer Acht gelassen, dass auch in anderen Fächern nach Abschluss des Studiums sich zweijährige Referendariate (Jura, Lehramt) gefolgt von einer weiteren, sich über mehrere Monate erstreckenden Prüfung, oder andere Ausbildunsgabschnitte (Arzt im Praktikum bzw. Facharztausbildung, Medizin) anschließen, ehe man den angestrebten Beruf tatsächlich ausüben kann. Da diese Abschnitte jedoch außerhalb der Universität stattfinden und Berufspraxis vermitteln, hatten sie nicht den Makel einer Doktorarbeit in Chemie, die an der Universität in der Grundlagenforschung ohne vermeintlichen Praxisbezug durchgeführt wird.

Mitte der 90er Jahre gab es eine hohe Zahl von promovierten Absolventen in der Chemie, die sich zum Teil mit Anstellungen wie etwa im Verkauf zufrieden geben mussten, die in der Tat keinen Doktortitel erfordern. Da die Durchführung einer Doktorarbeit hohe Ausbildungskosten verursacht, und auch die Gehälter von promovierten Chemikern, unabhängig von der Tätigkeit, deutlich höher liegen als bei einem Diplom-Chemiker, kamen auch schnell Bekundungen aus der chemischen Industrie - Mittelstand und Großunternehmen - auch nicht promovierte Chemiker einzustellen.

Um die hohe Absolventenzahl der Chemiker zu entzerren, wurde in der Reform des Chemiestudiums (Würzburger Modell) die Promotion nur noch für die besten Studenten mit großer Neigung zur Forschung vorgeschlagen. Mit den zu Beginn dieses Jahrzehnts drastisch gesunkenen Absolventenzahlen und dem hohen Bedarf der Industrie an promovierten Chemikern ist diese Diskussion jedoch schon fast wieder überholt, und die Empfehlung, als Diplom-Chemiker die Universität zu verlassen, ist allerorts merklich zurückgegangen. Dennoch sollte sich die Frage nach dem Sinn einer Doktorarbeit nicht nur an gerade existierenden Moden beziehungsweise Absolventenzahlen orientieren.

> > > WEITER zum zweiten Teil: Doktorarbeit nur für berufene Forscher?

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